Im Hörfunk: »Zwischen zwei Buchdeckeln«, Radio Bayern 2 (25.1.2009)

Am 25. Januar 2009 sendet Radio Bayern 2 »Zwischen zwei Deckeln«, eine Sendung über den deutschsprachigen Buchmarkt. Der Beitrag von Katja Huber läuft um 22:05 Uhr in der Reihe »Zündfunk Generator« und wird auf BR-online angekündigt:  »Deutschand 2008: Selbst Traditionsverlage, die – zumindest noch im 20. Jahrhundert – die Kultur der Bundesrepublik verkörperten, setzen mit Kolumnensammlungen, Weihnachtsanthologien, Ratgeberliteratur oder Promi-Biografien mehr und mehr auf’s sogenannte Non-Reader-Segment. Engagierte unabhängige Kleinverlage beweisen mit Lyrik-Editionen und (unbekannten) Debütanten Mut zum Risiko – und kämpfen mit Gesamtauflagen von 1000 Exemplaren ums Überleben. Gleichzeitig sehen sich nicht gerade für Wagemut bekannte Verlagslektoren beim 16. Open Mike genötigt, einen Appell an Jungautoren auszusprechen: Bitte mehr Mut zum Experiment! Was ist passiert? Ist der Buchmarkt endgültig zum knallhart durchkalkulierten Business mutiert, der Autor zum marktorientierten Auftragsschreiber, und der vielgerühmte Leser zum geistlosen Konsumenten? Oder ist literarisch alles im grünen Bereich, solange eben dieser Leser prognostizierte Non-Seller wie Uwe Tellkamps Wälzer Der Turm und Einführungen in die Philosophie auf die Bestsellerlisten katapultiert?« 

Hier haben Sie im Anschluss an die Sendung die Gelegenheit, diesen Beitrag vor dem Hintergrund unseres Seminars zu diskutieren.

Ein Nachtrag: Alle, die den Beitrag verpasst haben, können ihn hier als Podcast abrufen, anhören und mitdiskutieren. Nochmals vielen Dank an Eva-Maria Meier für den guten Hinweis auf diese Sendung!

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7 Kommentare zu “Im Hörfunk: »Zwischen zwei Buchdeckeln«, Radio Bayern 2 (25.1.2009)”

  1. Geschrieben von Angelika am 25. Januar 2009 um 23:36 Uhr

    Vielen Dank für den Hinweis auf diese Sendung! Ein wirklich interessanter Beitrag, der mich sogar ein bisschen optimistisch stimmte – verliert doch die erstaunliche Menge an kurzlebigen und wechselnden Moden folgenden Bestsellern tatsächlich ein wenig an Schrecken, wenn man im Hinterkopf behält, dass wirkliche Klassiker schon immer die Ausnahme waren und glücklicherweise auch unabhängig von der Zahl ihrer Leser den Weg in unseren Literaturkanon finden konnten. Erschreckend ist allerdings die Tatsache, dass wir als Leser in unseren Möglichkeiten, den Literaturmarkt durch bewusste Auswahl ein wenig mitzusteuern, immer mehr beschränkt werden: Wenn Buchhandlungen sich weigern, potentielle „Non-Seller“ in ihr Sortiment aufzunehmen, sinken die Chancen, auf interessante Randtitel aufmerksam zu werden – beinahe könnte der Eindruck entstehen, nicht mehr der Käufer, sondern der Buchhandel entscheide über den Kauf eines Buches und damit auch über den Weg zum Bestseller. Einer solchen Bewegung gegenzusteuern ist wahrscheinlich geradezu unmöglich…

  2. Geschrieben von Eva am 26. Januar 2009 um 09:06 Uhr

    Die Tatsache, dass auch zu Goethes und Schillers Zeit vor allem „Räubergeschichten“ gelesen wurden, stimmt wirklich optimistisch. Die für den Moment und das Event hin konzipierten Bestseller werden genauso schnell verschwinden, wie sie auftauchen.

    Die Entwicklung des Buchhandels dagegen ist erschreckend. Wenn Thalia und Hugendubel zunehmend großen Einfluss auf die Verlage haben, wird auch die mehrmals angesprochene Mischkalkulation wirklich innovativen und nicht medienwirksam inszenierten „Randtiteln“ nicht mehr zur Publikation verhelfen können. Ist es denn wirklich unmöglich dieser Entwicklung gegenzusteuern?

    Interessant fand ich die These, dass es vielen Jungautoren schlichtweg an Textkenntnis fehle. Ist es möglich „hochwertige“ Literatur zu verfassen, ohne Joyce, Proust und Musil gelesen zu haben?

  3. Geschrieben von Angelika am 27. Januar 2009 um 19:57 Uhr

    Gegensteuern kann man dieser Entwicklung sicher ein wenig, indem man sich möglichst wenig von den verlockenden Bestseller-Auslagen in den Läden beeinflussen lässt, die eigene Auswahl unabhängig trifft – etwa durch Literaturkritiken oder Empfehlungen in literarischen Fernsehsendungen – und sich als unbequemer Kunde, der ganz gezielt nach solchen „Randtiteln“ fragt, wieder mehr Einfluss auf das Sortiment verschafft. Es ist allerdings nicht ganz leicht und für die meisten Leser sicherlich zu unbequem, sich außerhalb des Buchhandels über Neuerscheinungen zu informieren; darüber hinaus ist es einfach angenehm, das vorhandene Sortiment zu nutzen, um ein neues Buch vor dem Kauf in die Hand nehmen und „anlesen“ zu können.

    Was für mich ein wirklich wertvolles Buch ausmacht, ist definitiv auch ein weiter geistiger Hintergrund, der meiner Meinung ohne ein großes Repertoire an Literatur gar nicht entstehen kann. Richtige Tiefe entsteht in einem Buch erst, wenn es bis obenhin gefüllt ist mit Bildung und feinen Anspielungen auf literarische Vorgänger. Fraglich ist außerdem, ob ein Autor ohne Textkenntnis überhaupt eine Chance hat, diese Sprachkunst zu erreichen, die wir an großen Werken so bewundern – ich glaube, dass Virtuosität in der Sprache wie bei einem Instrument einfach immens viel Übung erfordert und dass dieses Fingerspitzengefühl im Umgang mit der Sprache mit jeder einverleibten Seite Literatur etwas wächst…

  4. Geschrieben von Lisa am 27. Januar 2009 um 21:25 Uhr

    Mich persönlich verblüfft der Trend, dass jedes Verlagshaus meint, alles bedienen zu müssen, anstatt seine – größere oder kleinere – Nische optimal auszuschöpfen. Bestes Beispiel ist ja Suhrkamp, die jetzt, wie im BR-Beitrag erwähnt, auch noch ein Programmfeld mit Kriminalliteratur aufbauen. chon jetzt finde ich den Spagat zwischen den Linien des Traditionshauses Suhrkamp mit den Klassikern der Moderne (also edition suhrkamp, Bibliothek Suhrkamp) und der Avantgarde der Gegenwart und dem Fantasy-Programm, das kaum jemand mit Suhrkamp in Verbindung bringt, gefährlich breit.

    Man braucht sich nur die beiden im BR-Beitrag genannten Schwerpunkte auf den Internetauftritten des Verlages anzusehen. Da gibt es ein Internet-Special zu vier spannenden, alles andere als leicht konsumierbaren, aber umso aufregenderen Romanen junger Autoren:
    http://www.suhrkamp.de/special_undnichtsanmiristfreundlich/
    Und ein anderes zur genannten Fantasy-Saga:
    http://www.suhrkamp.de/grenzlaendersaga/

    Andererseits: Ist nicht gerade das „Mischkalkulation“? Trotzdem frage ich mich, wie das beim Buchhandel ankommt, wenn eine Marke wie Suhrkamp plötzlich auf so heterogenen Produkten daherkommt. Für Vertrieb und Vertreter ist dieser Spagat sicher nicht leicht. Leserinnen und Leser dagegen, die nicht „professionell“ den Literaturbetrieb beobachten, werden ihn dagegen vielleicht gar nicht wahrnehmen. Denen einen wird Suhrkamp als ein Verlag der Bibliothek Suhrkamp, der edition suhrkamp bleiben, eben weil sie kein Fantasy lesen; die anderen werden die Fantasy-Saga entdecken, aber kaum über den Verlagsnamen stutzen, weil sie bisher keine Suhrkamp-Titel gelesen haben. Insofern: Vielleicht doch eine geschickte Erweiterung des Publikums in einem ganz anderen Geschäftsfeld?

  5. Geschrieben von Berenice am 28. Januar 2009 um 08:17 Uhr

    Hinsichtlich der „hochwertigen“ oder „großen“ Literatur will ich an dieser Stelle zu bedenken geben: Wer bestimmt denn, was dies eigentlich genau ist bzw. welche Titel und Autoren unter diese Begriffe einzuordnen sind? Der unwidersprochen hoch kompetente, jedoch zur Selbstverliebtheit neigende Reich-Ranicki mit seinem „Kanon“ der deutschen Literatur? Die SZ mit ihren „Meisterwerken der Weltliteratur“ – ausgewählt wohl nicht bzw. nicht nur aufgrund ihrer literarischen Qualität als hinsichtlich ihrer Verkäuflichkeit und Massentauglichkeit? Elke Heidenreich? Der Professor, dessen Veranstaltung ich gerade besuche?
    Gibt es denn überhaupt so etwas wie eine allgemeingültig „hochwertige Literatur“, oder sind die Debatten hierüber nicht vielmehr als eher kurzlebige „Trends“ der jeweiligen Zeit anzusehen?
    Hier ein Beispiel: Bücher wie Casanovas „Geschichte meines Lebens“, die „Erzählungen aus 1001 Nacht“ oder Carrolls „Alice im Wunderland“ sind unbestritten sehr bekannte – und auch beliebte – Werke, aber wer würde sie heute ernsthaft in einen Literaturkanon aufnehmen? Und dennoch, in einem älteren Kanon sind sie tatsächlich aufgeführt – neben der Bibel, Platons „Apologie“ und Longos´ „Daphnis und Chloe“.
    Der hoch gelobte Paul Celan wurde noch vor etwas mehr als 50 Jahren – aus welchen Gründen auch immer, die Berichte hierüber sind alles andere als einheitlich – von den Mitgliedern der Gruppe 47 buchstäblich ausgelacht; die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek wird gegenwärtig mit Bezeichnungen wie „Kunst- und Kulturschänderin“ oder „linksextreme Besudlerin“ bedacht und gilt in ihrer Heimat vielfach als „Nestbeschmutzerin“ und „Landsverräterin“.
    Lange Rede, kurzer Sinn: Mit Allgemeingültigkeit beanspruchenden Schlagworten wie „hochwertige“ bzw. „große“ Literatur sollte sehr, sehr vorsichtig umgegangen werden, da diese meiner Erfahrung nach ein undurchschaubares Konglomerat aus individuellen Vorlieben, persönlichen Wissensstandarts, allgemeinen Konventionen und zeitgenössischen „Trends“ darstellen.
    Und ohne nun jemandem auf die Zehen treten zu wollen – noch dazu, weil ich selbst ja eigentlich „vom Fach“ bin: Gerade der Literaturwissenschaft würde zeitweise etwas weniger „Standesdünkel“ und ein Quäntchen mehr Offenheit bezüglich neuerer Autoren wie Inhalten sicherlich nicht schaden.

  6. Geschrieben von LaKly am 02. Februar 2009 um 11:34 Uhr

    Meiner Meinung nach ist es völlig legitim, dass Verlage ihr Sortiment ausbauen und auch Traditionshäuser wie Suhrkamp mehr auf den Unterhaltungsbereich setzen. Schließlich muss sich auch Suhrkamp den Gegebenheiten des Marktes, den Ansprüchen der Leser und den gesellschaftlichen Trends unterordnen, um im Geschäft zu bleiben. Wie ausschlaggebend derartige Faktoren sein müssen, zeigt ja gerade die Tatsache, dass Suhrkamp mit der „Verwässerung“ seines Verlagsprogramms, wobei der Begriff
    „Verwässerung“ in diesem Zusammenhang sicher zu weit gegriffen ist, bereit ist, die Marke Suhrkamp einem gravierenden Wandel zu unterwerfen.
    Der Weg, den viele Verlage einschlagen, legt allerdings nahe, dass es tatsächlich immer weniger „anspruchsvolle“ Leser zu geben scheint, zumindest innerhalb der jüngeren Generation. Dabei stellt sich wieder die Frage, was unter „anspruchsvoller“ Literatur zu verstehen ist. Der Leser verfolgt ja auch einen gewissen Anspruch, wenn er beispielsweise gerne Vampirgeschichten von Stephenie Meyer liest oder Promibiographien von Dieter Bohlen oder Bushido kauft. Dass die breite Masse der Leser nicht mehr ununterbrochen Fontane, Tolstoi oder Goethe liest, ist ja auch keine junge Entwicklung mehr.
    Allerdings sollte es tatsächlich, wie ein in dem Radiobeitrag zu Wort gekommener
    „Experte“ auch schon festgestellt hat, mehr Bücher wie „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann geben, deren Bestseller-Potenial darin besteht, den Leser auf verschiedenen Ebenen anzusprechen und es dem Einzelnen zu überlassen, wie weit er in diese Ebenen des Buches einzudringen bereit oder in der Lage ist. Damit wäre dann tatsächlich eine eher heterogene Leserschaft anzusprechen.

  7. Geschrieben von rip am 10. März 2009 um 01:00 Uhr

    Auch von mir vielen Dank für den Hinweis auf die Sendung bzw. den Podcast – und freundliche Grüße! Schön, Sie entdeckt zu haben.